NABU: Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht kontraproduktiv

Hessen
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Der NABU hält eine Aufnahme des Wolfs in das hessische Jagdrecht für eine „kontraproduktive Scheinlösung, die niemandem hilft“, so der NABU-Landesvorsitzende Maik Sommerhage.

Damit werde den Weidetierhaltern eine Sicherheit vorgetäuscht, die es draußen vor Ort nicht gebe. Wenn dadurch Herdenschutzmaßnahmen unterlassen werden, komme es durch neu zuwandernde Wölfe immer wieder zu Nutztierrissen. „Was wir brauchen, sind faktenbasierte Lösungen, wie sie auch vom Bundesamt für Naturschutz empfohlen werden. Der einzige nachhaltige Schutz vor Wolfsübergriffen sind ausreichend hohe und unter Strom stehende Zäune oder Herdenschutzhunde“, so Sommerhage. Da der Wolf weiterhin streng geschützt sei, werde die Aufnahme des Wolfs ins hessische Jagdrecht an der rechtlichen Lage auch nichts ändern.

Die Aufnahme des Wolfs in Jagdrecht sei in zweierlei Hinsicht kontraproduktiv: Erstens bremse sie als falsches Signal die Initiative der Weidetierhalter aus, ihre Tiere zu schützen, obwohl umfangreiche Fördermittel und eine ausführliche Beratung dafür zur Verfügung stehen. Zweitens könne durch den Abschuss einzelner erfahrener Wölfe per Sondergenehmigung die Sozialstruktur von Wolfsfamilien so gestört werden, dass die verbleibenden Tiere nicht mehr so erfolgreich im Jagen von Wildtieren sind. Dann seien sie gezwungen, häufiger an Nutztiere zu gehen, die normalerweise nur etwa 1,6 % ihrer Beute ausmachen. „Mit dem Abschuss einzelner Wölfe wird Weidetierhaltern mehr geschadet als genutzt“, erklärt Sommerhage. Nötig sei eine hessenweite Kampagne, die alle Weidetierhalter dazu motiviert, einen ausreichenden Herdenschutz umzusetzen. Nach Angaben des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) kam es im letzten Jahr zu 38 Wolfsübergriffen auf Schaf- und Ziegenherden, bei denen der Grundschutz mit einem 90 cm hohen stromführenden Zaun nötig gewesen wäre. Doch nur bei 26 Fällen konnte ein ausreichender Herdenschutz festgestellt werden. „Hier gibt es für die Landesregierung noch viel zu tun“, so Sommerhage.

Verlagerung des Wolfszentrums zu HessenForst ist großer Fehler

Der NABU Hessen hält auch die vom Hessischen Landwirtschaftsministerium angekündigte Verlagerung des Wolfszentrums und der Wildbiologischen Forschungsstelle aus dem Zentrum für Artenvielfalt beim HLNUG hin zum Landesbetrieb HessenForst für einen großen Fehler. Das Wolfszentrum habe in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet und die Situation um den Wolf und verschiedene Interessensverbände befriedet. Gemeinsam erarbeitete Forderungen zum Wolfsmanagement seien weitgehend vom Land umgesetzt worden. Mit der Unterstützung der Weidetierhalter sind auch viele Artenschutzfragen auf den beweideten Flächen verbunden. Auch die Wildbiologische Forschungsstelle befasst sich mit Fragen von Artpopulationen von Wildtieren die im Zentrum für Artenvielfalt besser aufgehoben sind. Der NABU zeigt Unverständnis, wie es zu solch einer Ankündigung des Landwirtschaftsministeriums kommen kann, obwohl im Hessischen Koalitionsvertrag vereinbart wurde, das neue Zentrum für Artenvielfalt zu stärken. „Aus unserer Sicht ist das ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag“, so Sommerhage. In der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD heißt es: „In einem neuen Naturschutzzentrum werden wir den Artenschutz und die Umweltbildung und die Zusammenarbeit von hauptamtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz stärken.“

Hintergrundinformationen

Laut dem Jahresrückblick des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) gibt es in Hessen derzeit 26 nachgewiesene Wölfe (2022: 19 Wölfe). Im letzten Jahr wurden insgesamt 45 Nutztiere von Wölfen gerissen (2022: 20 Nutztiere). Dem gegenüber müssen laut dem Umweltministerium in Hessen jährlich etwa 15.000 Schafe und Ziegen und mehr als 20.000 Kälber als „Falltiere“ entsorgt werden, die während der Geburt oder durch Krankheiten vorzeitig zu Tode kommen (Quelle: Hessische Tierseuchenkasse).

Die Hauptnahrung des Wolfes in Deutschland ist das Reh (51 Prozent), gefolgt von Wildschweinen (20 Prozent) und Rotwild (13 Prozent). Dies haben Untersuchungen des Senckenberg Museums für Naturkunde (Görlitz) an über 8.700 gesammelten Kotproben aus den Jahren 2001 bis 2019 ergeben. Zu einem kleinen Teil (14 Prozent) stehen auch Damhirsch, Muffelschaf, Hase und andere kleine und mittelgroße Säuger auf dem Speiseplan. Mit ca. 1,6 Prozent der erbeuteten Biomasse sind Nutztierrisse die Ausnahme und spielen als Nahrung für das Überleben der Wölfe keine Rolle.



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