Besorgniserregender Trend: Städte finanziell immer stärker unter Druck

Politik
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Die Ergebnisse der jährlichen Kommunalfinanzanalyse des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Hessen bei den hessischen Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern („G59“) zeigen, dass diese vermehrt unter Druck stehen. Von den 54 Städten, die bis dato einen Haushalt verabschiedet haben*, konnten 39 keinen ausgeglichenen Etat vorlegen (dies entspricht mehr als 72 Prozent). 2023 waren es 37 von 59 Städte (63 Prozent). Dabei kann mit Riedstadt erneut eine Kommune das geplante Haushaltsdefizit auch im Jahresabschluss nicht durch die Entnahme aus Rücklagen ausgleichen.

Die finanziell angespannte Situation zeigt sich auch in vermehrten Steuererhöhungen. Bislang haben bereits neun Städte ihre Hebesätze für die Grundsteuer B angehoben, im Vorjahr waren es insgesamt nur sechs. Noch dramatischer ist die Entwicklung bei der Gewerbesteuer: Hatten im Vorjahr nur drei Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern ihre Hebesätze erhöht, sind es 2024 bereits zehn.

„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die kürzlich vom Statistischen Landesamt konstatierte Misere bei den Kommunalfinanzen in Hessen offenbar vielerorts fortsetzt. Die Wiesbadener Behörde hatte kürzlich dargelegt, dass die kommunalen Kernhaushalte 2023 erstmals seit 2015 wieder ein Finanzierungsdefizit verzeichnet haben. Aus unserer Sicht ist dieser besorgniserregende Trend dem massiven Druck auf die Kommunen geschuldet: Steigende Löhne, die wachsende Zahl an Flüchtlingen, ein insgesamt höheres Preisniveau und nicht zuletzt gestiegene Zinsen sorgen für erhebliche Belastungen, die sich in Haushaltsdefiziten und Steuererhöhungen niederschlagen. Allerdings sollten die Städte und Gemeinden nicht einseitig an der Steuerschraube drehen und so die Lasten bei den Bürgerinnen und Bürgern abladen“, erklärt Jochen Kilp, Vorstand des hessischen Steuerzahlerbunds. Mindestens genauso wichtig sei es, die Ausgabeseite in den Blick zu nehmen: „Die politisch Verantwortlichen müssen wieder lernen ,Nein‘ zu sagen. Nicht alles Wünschenswerte ist notwendig und finanziell zu stemmen”, so Kilp. Insofern müssten die Kommunen Prioritäten setzen, ihre freiwilligen Standards und Leistungen hinterfragen. Nicht jede Kommune müsse alle Leistungen und Aufgaben selbst und allein erfüllen. Durch Interkommunale Zusammenarbeit ließen sich Synergien erzeugen, Aufgaben besser und wirtschaftlicher erledigen. Aber auch das Land Hessen sei gefordert, die finanzielle Ausstattung der Kommunen zu verbessern. Schließlich erhalten die hessischen Städte und Gemeinden nach jenen im Saarland und Bayern die drittniedrigsten Finanztransfers aller Flächenländer.

Der Hebesatz für die Grundsteuer B, die auf bebaute oder bebaubare Grundstücke erhoben wird und über die Nebenkosten auch Mieterinnen und Mieter trifft, wurde in neun Städten angehoben. Die stärksten Erhöhungen gab es in Darmstadt um 340 Prozentpunkte, Groß-Umstadt (+310) sowie Riedstadt (+285). Senkungen gab es bisher keine. Damit rückte Riedstadt mit einem Hebesatz von nun 985 Prozent vorerst an die Spitze der G59 und löste dabei Oberursel ab (bislang 947 Prozent, Haushalt für 2024 noch nicht verabschiedet). Am wenigsten müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit 140 Prozent weiterhin in Eschborn berappen. Der durchschnittliche Hebesatz der Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern stieg um 24 Punkte auf nun 580 Prozent. Dieser Wert liegt deutlich über dem Durchschnitt aller hessischen Städte und Gemeinden, der 2023 bei 509 Prozent lag.

Wie sich die Belastung durch die Grundsteuer B in den einzelnen Städten und Gemeinden im Zuge der Grundsteuerreform ab 2025 entwickelt, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Hebesätze für 2025 werden von den Kommunen erst im Laufe des Jahres 2024 auf Basis der neuen Grundsteuermessbeträge beschlossen. Das erklärte Ziel ist eine aufkommensneutrale Umsetzung. Das Land Hessen wird dazu den Hebesatz berechnen und veröffentlichen, mit dem die Stadt oder Gemeinde ein genauso hohes Grundsteueraufkommen hat wie 2024. „Die beschlossenen Erhöhungen im laufenden Jahr stellen also eine höhere ,Absprungbasis‘ für die Umstellung dar, die sich für die nächsten Jahre auswirkt. Trotzdem sollten die Bürgerinnen und Bürger genau verfolgen, ob die Kommunen zumindest die aufkommensneutralen Hebesätze anwenden, denn sie sind an diese nicht gebunden”, erklärt Kilp. 13 der 54 Kommunen haben bereits angegeben, dass eine aufkommensneutrale Umstellung nicht geplant sei.

Bei der Grundsteuer A steigerten fünf Städte die Belastung gegenüber 2023, die stärksten Erhöhungen gab es in Groß-Umstadt (+235) und Darmstadt (+205). Reduzierungen gab es keine. Die Grundsteuer A besteuert land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen. Den Top-Wert erhebt weiterhin Rodgau mit 700 Prozent. Neu-Isenburg verzichtet weiter als einzige G59-Kommune vollständig auf die Erhebung dieser Steuer. Mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 416 Prozent (+12) bleiben die Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern unter dem hessischen Vorjahres-Gesamt-Durchschnitt von 441 Prozent.

Zehn Erhöhungen gab es bei der Gewerbesteuer: Bruchköbel (+30) schlug am kräftigsten zu, immerhin hat mit Gelnhausen (-50) auch eine Stadt die Belastung für ihre Gewerbetreibenden gesenkt. Damit liegen die G59 mit einem durchschnittlichen Hebesatz von nun 393 Prozent ganz knapp über dem hessischen Durchschnitt von 2023 (392 Prozent). Den geringsten Satz unter den größeren Städten zahlen die Gewerbetreibenden nach wie vor in Eschborn (330 Prozent), den höchsten in Frankfurt und Wiesbaden (jeweils 460 Prozent).

Der hessische Steuerzahlerbund setzt sich weiterhin dafür ein, Straßenbeiträge bei voller Kompensation der kommunalen Einnahmeausfälle durch das Land abzuschaffen. Von den 59 Städten mit mehr als 20.00 Einwohnern erheben noch vier einmalige und acht wiederkehrende Straßenbeiträge.

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