Wie lässt sich der Weg zu mehr Klimaschutz in Europa mit Themen der Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit vereinbaren? Das war eine der zentralen Fragen bei der Podiumsdiskussion, zu der das Netzwerk Wetterau im Wandel und die Europa-Union Wetterau eingeladen hatten. Vertreter von Grünen, Freien Wählern, CDU und SPD stellten sich dem Thema "Wege zu einem nachhaltigen und gerechten Europa" im Bürgerhaus in Florstadt.
Der Abend begann mit Ausführungen von Peter Bauch, Politikberater, Analyst und Mitglied der Europa-Union, der zunächst die Stärken und Schwächen des Europäischen Parlaments einordnete, das in diesem Jahr bereits zum 10. Mal gewählt wird. Von den zu wählenden 720 Abgeordneten entfallen 96 auf Deutschland.
Dr. Wolfang Kessler, Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Autor, Publikum und Podiumsgäste lenkte dank langjähriger Erfahrung gekonnt durch die anschließende rund zweistündige Diskussion. Eingeladen waren Vertreter der 4 größten Fraktionen im Europaparlament: die EVP vertreten durch Birgit Weckler von der CDU, S&D vertreten durch den langjährigen Europaabgeordneten Dr. Udo Bullmann (SPD), die Fraktion „Renew Europe“, der sich die Freien Wähler mit Engin Eroglu zuordnen, sowie die Fraktion der Grünen vertreten von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bundestagsabgeordneter und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss des Bundestags für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Ein großes Thema war der beschlossene „Green Deal“ und seine Auswirkungen auf Verteilungsfragen und Wettbewerbsfähigkeit. Birgit Weckler, die ab 17. Juni Erste Kreisbeigeordnete des Wetteraukreises ist und für die Europawahl kandidiert, betonte, dass die CDU die gleichen Ziele verfolge, aber den gewählten Weg kritisiere. „Die Zielrichtung passt, aber der Green Deal ist nicht in allem gut gemacht.“ Eine starke Wirtschaft sei essenziell für mehr Klimaschutz. Sie kritisierte außerdem Bürokratie-Hürden beim Beantragen von Zuschüssen, wie auch bei den Subventionen für Landwirte.
Wolfgang Strengmann-Kuhn sieht das Abkommen als „großen Fortschritt“. Gemeinsame Richtlinien nützten allen. Er widersprach dem Vorwurf, die Grünen würden sich nicht um die sozialen Faktoren scheren. Man müsse ökologische und soziale Fragen immer zusammen denken. „Das eine geht nicht ohne das andere.“
Auch Udo Bullmann betonte vor allem die Faktoren Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. „Die ökologische Wende muss begleitet sein von einer sozialen Wende.“ Ob sie gelinge, sei eine Verteilungs- und Kulturfrage. Zum Thema Subventionen unterstrich der Europaabgeordnete, der erneut kandidiert, dass genug „Geld im System“ sei, man müsse es nur anders verteilen.
Engin Eroglu benannte das Problem der Lebensmittelverschwendung. Gleichzeitig müsse man aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums eine gute Versorgung auch in Zukunft garantieren. Dabei setze er vor allem auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien, um Landwirte zu unterstützen. Engin ist ebenfalls Mitglieder im Europaparlament und kandidieren erneut.
An der Frage nach der Umsetzbarkeit des Lieferkettengesetzes schieden sich die Geister. Während Weckler wieder auf einen Bürokratieabbau und mehr Praxistauglichkeit drängte, berichtete Strengmann-Kuhn von Unternehmern, die die einheitliche Umsetzung auf europäischer Ebene sehr begrüßten. Die Deutschen hätten sogar einen Wettbewerbsvorteil. Eroglu hätte sich eine Umsetzung des Lieferkettengesetzes auf Ebene der G7 gewünscht, damit Europa nicht weiter abgehängt wird. Man müsse größer denken. Bullmann betonte: „Wir wollen Partner, denen es gut geht.“ Um auch Ländern im Süden ein Wachstum zu ermöglichen dürfe man z.B. die dortigen Märkte nicht mit Exporten erschlagen.
Engin Eroglu überraschte mit der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer und der Zerschlagung des Oligpols im Lebensmittelhandel.
Die angesprochenen Themen umfassten eine große Bandbreite. So wurde die Diskussion ergänzt durch Fragen nach dem idealen Energiemix und der Abschaffung der Atomkraft, zu Asyl- und Migrationspolitik, dem idealen Subventionskonzept für die Landwirtschaft oder der Politikverdrossenheit junger Menschen. Auch die rund 70 Zuhörenden bekam die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Am Ende blieb trotz der unterschiedlichen Standpunkte eine zentrale Gemeinsamkeit: Um Erfolge für mehr Klimaschutz, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu erzielen, braucht es die internationale Zusammenarbeit - auf europäischer wie auch auf globaler Ebene.
Zusatz:
Das Netzwerk Wetterau im Wandel
Das Netzwerk „Wetterau im Wandel“ ist eine seit 2011 bestehende Initiative aus Akteuren und Organisationen der Wetterau mit Interesse an der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und Transformation hin zu einer auch für nachfolgende Generationen lebenswerten Zukunft. In Anlehnung an die weltweite Initiative der „Transition Towns“ will Wetterau im Wandel die Chancen einer Zukunft mit weniger Ressourcenverbrauch und die Stärken eines Lebens ohne einseitige Konsumorientierung aufzeigen. Das Evangelische Dekanat Wetterau ein engagierter Akteur im Netzwerk.
PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von WETTERAU.NEWS!