Neue Serie: Gesundheitsamt in Corona-Zeiten

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Im Friedberger Gesundheitsamt gehen seit sechs Monaten die Uhren anders: Nicht mehr Medizinalaufsicht, Schuleingangsuntersuchungen oder ärztliche Gutachten stehen im Mittelpunkt, auch die Belehrungen für Menschen, die mit Lebensmitteln hantieren sind ausgesetzt, alles folgt den Erfordernissen der Corona-Pandemie. Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachdienstes Gesundheit und Gefahrenabwehr sind in irgendeiner Weise mit dem Thema befasst. In einer Serie wollen wir die verschiedenen Aspekte der Arbeit im Gesundheitsamt vorstellen:

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Freitagmorgen, Dienstzimmer von Dr. Reinhold Merbs, Leiter des Fachbereichs Gesundheit, Veterinärwesen und Bevölkerungsschutz und Amtsarzt des Wetteraukreises. Zur Dienstbesprechung sind fünf Kolleginnen und Kollegen gekommen. In einem Dorf im Wetteraukreis kam es zu einem Ausbruchsgeschehen. Die vierjährige Melanie Bauer (alle Namen, Altersangaben und Orte sind geändert) wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Zuvor wurden leichte Symptome bei ihr und einem Bruder festgestellt.

Melanie und ihre beiden Brüder wohnen mit ihren Eltern in einem Doppelhaus in einem Dorf im Wetteraukreis. Das Doppelhaus wurde im Garten der Großeltern gebaut. Die andere Haushälfte wurde an Familie Schmidt (Vater, Mutter und zwei Kinder) vermietet. Bei den Großeltern im Haus wohnt noch Melanies Onkel, der Bruder von Melanies Mutter, mit seiner Partnerin.

Die Quarantäneanordnung ist zu befolgen

Diese 13 Personen hatten mehr oder minder regelmäßig Kontakt miteinander, sind also Kontaktpersonen ersten Grades und werden von Amtsarzt Dr. Merbs darüber aufgeklärt, dass für sie von nun an eine zweiwöchige Quarantäne gilt. Eine Information, die insbesondere für Herrn Schmidt wenig erfreulich ist. Als Selbständiger mit vielen Außenterminen passt die Quarantäne überhaupt nicht in sein Geschäftsmodell. „Da gibt es aber keine Diskussionen. Das Infektionsschutzgesetz ist hier eindeutig. Der Schutz der Bevölkerung geht vor den persönlichen und geschäftlichen Interessen von Einzelnen“, sagt Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs.

In einem weiteren Schritt werden jetzt die Aufgaben im Team verteilt. Der Kindergarten von Melanie ist informiert. Melanie war aber einige Tage schon kränklich zu Hause, so dass die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung der Krankheit nicht sehr hoch ist. Dennoch sind alle informiert. Sollten Symptome auftreten, muss das Gesundheitsamt sofort informiert werden. Wenn Schulkinder betroffen sind, werden die Schulen informiert, und um eine Klassenliste sowie eine Liste aller möglichen weiteren Kontaktpersonen gebeten. Sollte ein Abstrich, positiv sein, werden alle Kontaktpersonen dieser positiv gemeldeten Personen informiert und vorsorglich in Quarantäne geschickt.

Arbeit mit kriminalistischem Spürsinn

Eine Testung aller Schülerinnen und Schüler ist erst einmal nicht vorgesehen. Das wäre der nächste Schritt, wenn es zu weiteren Symptombildungen in der Schule kommt. „Es ist ja noch lange nicht gesagt, dass ein eher beiläufiger Kontakt mit einer positiv getesteten Person tatsächlich auch zu einer Infektion führt. Hier orientieren wir uns an den Vorgaben des Robert Koch-Institutes“, sagt Dr. Reinhold Merbs. Woher die kleine Melanie ihre Erkrankung hat, ist hingegen unsicher. Die Mutter vermutet, dass Melanie sich auf dem Spielplatz angesteckt hat. Kontaktpersonen hier sind aber kaum zu finden. „Wir machen hier kriminalistische Spürarbeit“, sagt Heiko Kieckhäfer.

Dabei ist das Internet eine wichtige Hilfe. „Über die Einwohnermeldeämter oder wenn die am Wochenende, abends und nachts geschlossen haben, können über die Polizei Adressen ausfindig gemacht werden. Das läuft mittlerweile trotz der bürokratischen Vorgaben mit einem schriftlichen Antrag sehr schnell und unkompliziert“, berichtet Fachdienstleiter und stellvertretender Fachbereichsleiter Jürgen Nickel. Hier bewährt sich die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Polizei.

Nickel erläutert die weitere Vorgehensweise: „Wir haben einen positiven Befund und nehmen als erstes Kontakt mit der Person auf. Im Gespräch werden dann die Kontaktpersonen benannt: A, B, C, D und so weiter. In der Regel kennt man die Personen und hat meist auch eine Telefonnummer zur Hand. Fragestellungen, wo man völlig ins Dunkle hineinermitteln muss, gibt es eigentlich relativ selten. Der worst Case wäre etwa ein Eisverkäufer, der die notwendigen Schutzmaßnahmen nicht eingehalten hat und positiv getestet wird, und der an einem bestimmten Tag noch 100 Kunden bedient hat. Hier sind die Personen kaum individuell zu ermitteln. Da muss ein öffentlicher Aufruf gestartet werden, aber glücklicherweise hatten wir solche Fälle noch nicht.“

Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs prüft derweil die E-Mails, die täglich aus den fünf Wetterauer Krankenhäusern eingehen. „Hier werden alle neu aufgenommenen Patienten aufgeführt. Wir schauen dann, ob hier auch Menschen aus Gemeinschaftseinrichtungen, wie Alten- und Pflegeheimen, dabei sind. Wir fragen nach, ob es besondere Symptome gibt, die auf Corona hinweisen und im Zweifelsfall rufen wir dann auch in der Einrichtung an, um zu erfahren, ob es dort ähnliche Symptome gibt. Wir wollen damit ein Ausbruchsgeschehen in solchen Einrichtungen schon frühzeitig erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.“

Foto: Mit aufwändigen Schaubildern werden Infektionsketten nachverfolgt.



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