Neubewertung der Kita Kinderburg: Sanierung oder Neubau?

Friedberg
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Sanierung oder Neubau? Die Stadt Friedberg muss sich mit dieser Frage zur Zukunft der Kindertagesstätte Kinderburg am Rübenberg auseinandersetzen, nachdem bei weiteren Überprüfungen des Bestandsgebäudes zusätzliche bauliche Mängel festgestellt worden sind. Eine Sanierung erscheint danach sowohl unter dem Aspekt einer zeitgemäßen Kita-Nutzung als auch wirtschaftlich im Vergleich zu einem Kita-Neubau fraglich.

Die prognostizierten Sanierungskosten liegen inzwischen derart hoch, dass auch über einen Neubau nachgedacht wird. Die städtischen Gremien werden im 1. Quartal 2024 über das weitere Vorgehen entscheiden.

Seit Oktober werden bis zu 115 Kinder der Kita Kinderburg vorübergehend im Gebäude der früheren Montessori-Grundschule betreut, das der Stadt gehört und baldmöglichst zur Kita umgebaut werden soll. Ursprünglich war die Rückkehr aller Kinder in das sanierte Bestandsgebäude in Fauerbach im Sommer 2024 vorgesehen. Erste Stadträtin und Kita-Dezernentin Marion Götz musste die städtischen Gremien nun in der laufenden Sitzungsrunde über den neuen Sachverhalt informieren. Am 11. Dezember fand mit dem Team des Stadtbauamts und dem Leitungsteam der Kita auch ein Elternabend statt. Marion Götz: „Gerne hätten wir allen Betroffenen, Kindern und Eltern sowie dem Kita-Personal, erfreulichere Nachrichten überbracht, aber die neuen Erkenntnisse erfordern eine neue Bewertung.“

Rückblick

Im Rahmen von Renovierungsarbeiten im Sommer dieses Jahres wurden in der Kita erstmals seit ihrer Inbetriebnahme die Decken freigelegt. Dies war erforderlich, um Akustikdecken einzubauen, die von der Unfallkasse gefordert worden waren. Bei den Arbeiten wurde sichtbar, dass die Decken nicht sachgerecht und entgegen der damaligen Baugenehmigung (1995) nicht mit dem erforderlichen Brandschutz hergestellt waren. Dies wurde der Stadt auch per Brandschutzgutachten bestätigt. Das frühere Verwaltungsgebäude der Zuckerfabrik in der Fauerbacher Straße 61 war im Jahr 1997 nach Fertigstellung des Umbaus zu einer Kita durch den verantwortlichen Investor - die Firma Bücher schlüsselfertiges Bauen - nach Abnahme durch die Bauaufsicht des Wetteraukreises an die Stadt verkauft und übergeben worden. Grundlage hierfür war ein städtebaulicher Vertrag zwischen der Stadt Friedberg und der Firma.

Im August 2023 wurde nun durch den Gutachter festgestellt, dass die bestehenden Holzbalkendecken mit eingelegten Blindböden ohne Unterputz ausgeführt waren. An mehreren Stellen waren nachträglich Stahlbauteile für das Deckentragwerk ohne jegliche Brandschutzbekleidung eingebaut bzw. ergänzt worden. Somit liegt ein ungeschütztes Tragwerk vor. Kita-Dezernentin Götz: „Die freigelegten, völlig ungeschützten Deckenausführungen lassen sich keiner Feuerwiderstandsklasse zuordnen. Es ist davon auszugehen, dass die Bauteile nur einen geringen Feuerwiderstand von deutlich weniger als 30 Minuten erreichen. Diese Erkenntnisse zur Ausführung der Decken stehen im Widerspruch zur vorliegenden Baugenehmigung. Diese fordert für die Deckenbauteile auf Grundlage des Brandschutzkonzeptes einen Feuerwiderstand von mindestens 30 Minuten. Das betrifft auch die Flure und die damit verbundenen unverzichtbaren Rettungswege. Damit besteht ein unvertretbares Risiko für die weitere Nutzung des Gebäudes“, so Götz.

Im September und Oktober hat die Stadt daraufhin weitere und vertiefende Untersuchungen an dem Gebäude vornehmen lassen. Durch das beauftragte Architekturbüro erfolgten weitere Bauteilöffnungen und gemeinsame Ortstermine mit dem Brandschutzgutachter. Dabei wurden weitere gravierende Mängel festgestellt. So unterschreiten beispielsweise die Laufbreiten des notwendigen Treppenhauses (1. Rettungsweg) die heutigen und damaligen Vorgaben der hessischen Bauordnung. Weiterhin fehlen u.a. Schottungen der Deckendurchbrüche der Holzbalkendecken und Kellerdecke sowie der Trennwände.

Erste Stadträtin Götz: „Zu diesem gravierenden Schadensbild und seinen nachteiligen Folgen für die Stadt und alle Betroffenen werden selbstverständlich mit den Verantwortlichen Gespräche mit dem Ziel der Schadenskompensation zu führen sein, die auch bereits begonnen haben. Gleichzeitig müssen wir jetzt im Interesse der Kinder und Familien eine schnellst- und bestmögliche Lösung für die Zukunft finden.“

Aufgrund der zusätzlichen weitreichenden Mängel liegt die Kostenschätzung zur Behebung der Brandschutzmängel bei der Gebäudesanierung inzwischen mehreren Millionen Euro. Hinzu kommen weitere Sanierungskosten. U.a. ist das bestehende Treppenhaus mit integriertem Aufzug abzubrechen und neu zu errichten bzw. hierfür eine Alternative zu schaffen, Innenwände und innere Wandbekleidungen der Außenwände sind abzubrechen und wiederherzustellen, Türöffnungen u.a. in Außenwänden sind zu vergrößern (hohe Anforderungen wg. Sichtmauerwerk), Tür- und Fensterelemente sind auszutauschen usw.

Darüber hinaus werden nun erhebliche Mittel für die Bereitstellung einer Interims-Container-Anlage während der Sanierungsphase aufzuwenden sein. Dies wird notwendig, um den nun deutlich längeren Zeitbedarf bis zur Sanierung oder den Neubau einer Kita zu überbrücken. Dieser wird voraussichtlich zwischen 3 und 4 Jahren in Anspruch nehmen, wie Götz erläutert.

Die neue Sachlage führt für die Stadt Friedberg zu folgenden Erkenntnissen:

1. Die schwerwiegenden Mängel am Gebäude der Kinderburg, insbesondere im Bereich des konstruktiven Brandschutzes, führen zu einer grundlegenden neuen Bewertung des Gebäudes in seiner Nutzung als mehrgeschossige Kita. Für eine weitere Nutzung des Gebäudes als Kita ist in jedem Fall ein neuer Bauantrag zu stellen. Die Nutzung als Kita wird dann durch die Genehmigungsbehörde neu zu bewerten sein.
2. Nach aktuellem Kenntnisstand wird es äußerst schwer bzw. nur mit erheblichem Aufwand möglich sein, eine neue Baugenehmigung zu erwirken. Im Gegensatz zu einem Neubau können bei einem Umbau und der Sanierung eines Bestandsgebäudes einer Kita nicht alle gesetzlichen Anforderungen ohne Weiteres erfüllt werden. Im Hinblick auf das dreigeschossige Bestandsgebäude und dessen kleinteilige Raumstruktur kommt der erforderlichen signifikanten Verbesserung der Feuerwiderstandsdauer von Bauteilen und technischer Gebäudeausrüstung zur Herstellung einer genehmigungsfähigen Flucht- und Rettungswegesituation eine zentrale Rolle zu. Die künftige Aufenthaltsmöglichkeit eines erheblichen Teils der Kinder im Dachgeschoss ist trotz entsprechender Sanierungsmöglichkeiten fraglich.
3. Im Hinblick auf Erschließung, Raumqualitäten und Zugangsmöglichkeiten zum Außenbereich wird das Bestandsgebäude trotz der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen im Vergleich zu modernen Kita-Einrichtungen suboptimal sein und die pädagogische Arbeit im Vergleich erschweren. Falls eine Nutzung des Dachgeschosses ausgeschlossen sein sollte, entfällt die Nutzungsmöglichkeit des größten Raumes (Bewegungsraum mit 68m²) des Gebäudes. Nach dem derzeitigen Grundriss steht hierfür kein adäquater Raum zur Verfügung, Auch die Nutzung der Kinderküche würde entfallen. Die Betreuung der bisher im Dachgeschoss betreuten 50 Kinder in zwei Kita-Gruppen kann im Gebäude nicht anderweitig kompensiert werden.

Erste Stadträtin Götz: „Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Kita im Bestandsgebäude überhaupt weitergeführt werden kann und sollte. Es könnte zielführender und wirtschaftlicher sein, eine neue Kita zu errichten und die bestehende Immobilie anderweitig zu nutzen oder zu veräußern. Hierzu wurden den städtischen Gremien in den vergangenen Tagen erste Vorgehensvarianten vorgelegt. Auf der Grundlage der jetzt kurzfristig zu führenden weiteren Gespräche mit den Verantwortlichen für die missliche Situation steht im 1. Quartal 2024 eine Grundsatzentscheidung der städtischen Gremien an: Sanierung oder Neubau? In jedem Fall wird die Lösung deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich geplant



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